»Wenn alles eine Ursache haben muss, dann muss auch Gott eine Ursache haben.« So sinnierte der atheistische Philosoph Bertrand Russell. Aber die Frage, wer oder was Gott verursacht hat, ist irrig.
1. Die Naturwissenschaft stützt den Gedanken, dass das Universum einen Anfang hatte und dass es von etwas ins Dasein gebracht wurde, das von ihm unabhängig ist.
Die unter Naturwissenschaftlern geläufige Überzeugung, dass das Universum einen Ursprung hat und sich ausdehnt, sowie der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, wonach Energie dazu neigt, sich auszudehnen, stützen die Vorstellung eines absoluten Anfangs des Universums aus dem Nichts. Dies liest sich in 1Mos 1,1 bemerkenswert ähnlich, wo es heißt: »Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.« Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas auf einmal aus dem buchstäblichen Nichts ins Dasein tritt, beträgt genau null. Sein kann nicht aus Nichtsein entstehen. Sogar der Skeptiker David Hume nannte das »absurd« – wissenschaftlich gesprochen ist es ein Ding der Unmöglichkeit.
2. Gläubige behaupten nicht, dass alles, was existiert, eine Ursache hat, sondern dass alles, was zu existieren beginnt, eine Ursache hat. Zu sagen, »Alles benötigt eine Ursache«, würde zwangsläufig einen unverursachten Gott ausschließen. Das wäre dann ein Zirkelschluss, da man das zu Beweisende voraussetzt. Das wäre wie vorauszusetzen, dass ein nicht physischer Gott nicht existieren kann, da alle Wirklichkeit physischer Natur sei. Dies ist aber nicht nachzuweisen.
3. Eine unverursachte Entität ist logisch und verstehbar – nicht alles braucht daher eine Ursache. In den letzten Jahrhunderten glaubten viele, dass das Universum keine Ursache benötige; es existiere aus sich selbst heraus. Für sie war ein Universum ohne Anfang oder Ursache weder unlogisch noch unmöglich. Jetzt aber, wo die moderne Kosmologie auf den Anfang des Universums und auf eine externe Ursache für diesen hindeutet, bestehen Skeptiker plötzlich darauf, dass alles doch eine Ursache braucht!
4. Es gibt einige unverursachte Dinge. Die Gesetze der Logik sind real; ohne sie könnten wir nicht zusammenhängend denken. So sagt uns das Gesetz der Identität, »X = X«, beispielsweise: Dieses Buch ist dieses Buch. Mathematische Wahrheiten, zum Beispiel »1 + 1 = 2« oder »3 > 1«, sind auch real. Aber weder die Gesetze der Logik noch mathematische Wahrheiten begannen zu existieren; sie fingen ja nicht erst vor ein paar Jahren an, wahr oder gültig zu sein. Als im Intellekt Gottes vorhandene Entitäten sind sie notwendigerweise wahr und somit ewig und unverursacht.
5. Fragt jemand: »Wer machte Gott?«, begeht er den Kategorienfehler. Zu sagen, dass alle Dinge, sogar Gott, verursacht sein müssen, ist inkohärent – wie die Aussage »Die Farbe Grün schmeckt gut«. Warum soll man es Gott zum Vorwurf machen, dass er unverursacht ist? Wenn wir die Titelfrage umformulieren in »Was verursachte die Existenz der in sich existierenden, unverursachten Ursache, die per definitionem unerschaffen ist?«, ist die Antwort offensichtlich.
Der Artikel ist erschienen in Das Neue Testament. Mit Begleittexten zum Thema Wissenschaft und Glaube (Tenet, 2019)